Das Korn ist unlängst reif – aus der Weite betrachtet strahlen uns gelbe Stoppelfelder an, die verkünden das wir im Jahreskreis schon längst weit vorangeschritten sind. Es riecht nach Stroh, nach Staub, Erde und der ersten großen Ernte.
Eine erste Wehmut macht sich vielleicht breit – denn der Herbst ist nicht mehr all zu weit. Es ist die Zeit der Korngöttin, der Schnitterin die mit ihrer präzisen Klugheit ihre Schnitte setzt. Sie ist vollkommen klar in ihrem Handeln, sie weiß um den rechten Zeitpunkt. Sie bringt dem Korn den Tod um neues Leben daraus zu gebären.
Etwas muss sterben um zur guten Nahrung zu werden. Etwas ist reif geworden,hat sich vollendet, so wie der Same erstirbt um zu erblühen, muss auch das Korn zum rechten Zeitpunkt geschnitten werden. Etwas stirbt um neu, ganz neu zu werden.
Meine Großeltern und meine Eltern wussten um den rechten Zeitpunkt, sie waren so sehr verbunden mit dem Korn, hatten das rechte Gespür in sich, konnten das Wetter lesen und wussten tief in sich wann es Zeit war, sie hörten das Rufen der Korngöttin wann es Zeit ist den Schnitt zu setzen, dann wenn es in seinem vollsten schönsten Potenzial stand, in seiner ganzen wundervollen Kraft. Es gibt sich der Sichel der Göttin hin, weil es weiß, das durch den Schnitt das Überleben von vielen gesichert ist.
Ich sehe sie, wie sie auf dem Acker in der heißen Sonnenglut stehen, oftmals blutige Beine und Füsse von den Stoppeln des Feldes welches sich in die Haut bohrte. Ich rieche das Korn wenn es gedroschen wird, die Ernte eingefahren wird und das Korn bei uns zu Hause in den Scheune gebracht wurde. Mit riesigen Strohfuhren kamen sie später nach Hause und auch dies wurde eingelagert für die Tiere.
Es gab Most und eine gute Brotzeit in der Glut der Sonne. Es gab Gemeinschaft, Verbundenheit, eine Gegenseitigkeit, eine Handreichung, die uns heute in diesen Wandelzeiten so sehr fehlt. Es war ein Teilen, eine Selbstverständlichkeit das einer dem anderen half.
Heute weiß ich dies alles so viel mehr zu schätzen und wenn ich heute über die Stoppelfelder gehe, sehe ich sie mit nackten Füssen, ich rieche den Schweiß in ihrem Angesicht, ich sehe die harte Arbeit und die Freude, das Herz das zu tun was sie tun. Sie waren von Herzen Bauern, mit Leib und Seele. Zufrieden und bescheiden, einfach, echt und unendlich reich in ihrem Innern. Sie waren Verbunden mit Himmel und Erde. Sie liebten was sie taten, sie trugen eine Zufriedenheit in sich, eine Stille und unbändige Kraft, eine Liebe und Einfachheit. Voller Demut verneige ich mich aus tiefster Seele.
Ich feiere sie heute besonders und bin dankbar für all unsere Ahnen, die voller Vertrauen sich den Kreisläufen der Natur hingaben, sich eingebettet fühlten, allen Wesen so nahe. Zum Wohle des großen Ganzen wirkten. Ich segne sie und ihr Erbe in uns.
Auch wir sind eingeladen unsere Lebensspeicher mit dem guten Korn zu füllen. Eine erste Ernte einzufahren. Recht zu prüfen welche Speicher gefüllt sind und welche nicht. Welche Ernte vielleicht verkümmert ist. Den Kräften zu danken, die Sichel recht und Weise zu heben, das Land zu segnen auf dem wir Leben, unser Leben zu segnen, uns anzubinden an etwas größeres, eine Zeit mit der Korngöttin zu gehen das sie uns lehrt und uns mitnimmt in ihr Reich um zu Verstehen, um zu sehen was sich vollendet hat um neu zu werden. Um wieder Dankbar und Demütig vor dem Leben und dem was uns am Leben erhält zu werden, für die Nahrung die sich uns schenkt und die Hände die ernten damit unser Überleben gesichert ist.
Lassen wir unseren Blick wieder größer werden, weiter werden, für das Größere in allem.